Archäologisch-historischer Vortrag präsentiert Töpferzentrum ungeahnten Ausmaßes


Auf dem Gebiet der heutigen Stadt Weißenthurm hatte es zu römischen Zeiten eine Töpferei mit überregionaler Bedeutung gegeben. In der Anlage „Am guten Mann“ entstanden „Ware Urmitzer Art“ genannte Keramiken, deren Produktion und Verbreitung inzwischen gut erforscht ist. Bislang weniger bekannt ist ein weiteres Töpferzentrum in der Südeifel: Bei Speicher befand sich ebenfalls eine große Anlage. Die bisherigen Erkenntnisse stellten Angelika Hunold und Holger Schaaff vom Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz und Mayen im Ratssaal der Verbandsgemeinde (VG) Weißenthurm vor. Im Rahmen der archäologisch-historischen Vortragsreihe der VG beleuchteten die beiden Wissenschaftler den aktuellen Stand der Untersuchungen.

Vom 2. bis ins 5. Jahrhundert hinein produzierten Töpferbetriebe im Umfeld des heutigen Trier große Mengen an Keramik. Die bei Speicher, Herforst und Binsfeld hergestellte Ware war für den europäischen Markt bestimmt. „Dieser Markt reichte von der Nordsee bis in die Alpen“, erklärte Schaaff. Die Betriebe bildeten im Umfeld der damaligen Metropole Augusta Treverorum eines der großen Töpferzentren der römischen Nordwestprovinzen. „Man kann guten Gewissens von einem Industrierevier sprechen, das sich dort entwickelt hatte“, sagte Schaaff. „Ungeheure Mengen an Keramiken“ seien dort hergestellt worden. Das Ausmaß der Produktion verdeutlichten Schaaff und Hunold dem interessierten Publikum mit Hilfe neuester Bilder, die mit dem Einsatz modernster geophysikalischer Messgeräte und einem leistungsstarken Computer entstanden sind. Bereits bei Geländebegehungen im Wald und auf freiem Feld wird noch heute das Ausmaß der Produktion deutlich. „Der unebene Boden, Steinansammlungen und Massen an Keramikscherben zeigen, dass die Töpfereien dicht unter der Oberfläche liegen“, erläuterte Hunold.

Seit mehr als 150 Jahren ist in der Archäologie bekannt, dass 30 Kilometer nördlich der römischen Kaiserresidenz Trier ein Töpferzentrum von europäischem Rang bestand. „Im Laufe der Zeit sind mehr als 30 größere Werkstattkomplexe, immer bestehend aus mehreren Gebäuden, Öfen und Tongruben, entdeckt worden, die sich auf einer Fläche von mehr als 6 Quadratkilometer verteilen“, schilderte Schaaff. Trotz vieler Fundbeobachtungen und Ausgrabungen konnte das gesamte Töpferzentrum jedoch nie umfassend untersucht werden: „Ausdehnung und Umfang sind einfach zu groß“, so der Wissenschaftler. 

In den vergangenen zwei Jahren gelang Spezialisten nun aber zusätzlich ein Blick buchstäblich unter die Erde: Wochenlang befuhren die Fachleute mit einem geländegängigen Quad Felder und Wiesen rund um Herforst und untersuchten Zeugnisse der einstigen Anlagen, die unter der Oberfläche liegen. Erste Untersuchungen haben bereits jetzt Spektakuläres erbracht. „So konnte festgestellt werden, dass es in dem Revier bis zu 200 Töpferbetriebe gab“, sagte Hunold. Noch stehe man mit der Erforschung des Bereichs am Anfang. Das Leibniz-Zentrum für Archäologie wird gemeinsam mit der Landesarchäologie Trier und der Universität Frankfurt die Untersuchungen fortsetzen. „Man darf gespannt sein, was sich noch alles findet und welche Erkenntnisse gewonnen werden können“, sagte Schaaff. Stoff für weitere Vorträge in der VG gebe es allemal.

Der nächste archäologisch-historische Vortrag findet am 29. August 2023 um 18 Uhr statt. Unter dem Titel „1200 – Die Mayener Töpferei unter Druck: Neue Kundenwünsche – neue Technologien“ stellt Dr. Michael Herdick vom LEIZA Technologien für die Herstellung von Keramikwaren vor. Am 24. Oktober 2023 geht es im letzten Teil der Vortragsreihe um den Wirtschaftsraum des Moselmündungsgebietes.